Die ärztliche Untersuchung bei der Bundeswehr
Ablauf der ärztlichen Untersuchung
Bereits mit Einreichen der Bewerbungsunterlagen muss jede Bewerberin und jeder Bewerber Angaben zur gesundheitlichen Vorgeschichte machen. Dafür wird von den Bewerbenden ein Fragebogen zur Anamnese ausgefüllt und der Bewerbung beigelegt. Erst nach Beurteilung der in diesem Bogen gemachten Angaben durch das medizinische Personal erfolgt eine Einladung zum Auswahlverfahren. Zur persönlichen gesundheitlichen Vorgeschichte müssen unter anderem folgende Angaben gemacht werden:
- Lungenerkrankungen
- Herz-Kreislauf-Erkrankungen
- Epilepsie
- Persönlichkeitsstörungen
- Stoffwechselstörungen (z. B. Diabetes mellitus)
- abgelaufene Infektions- und Kinderkrankheiten
- Medikamenten-, Alkohol- und Drogenmissbrauch
- gegenwärtige ärztliche/zahnärztliche/kieferorthopädische Behandlung
- Krankenhaus-/Sanatoriumsaufenthalte
- Operationen
- Unfälle mit Körperschaden
- Kurmaßnahmen & Rehabilitation
Wehrmedizinische Begutachtung: Voruntersuchung und Musterung
Unabhängig von der Laufbahn und dem Tätigkeitsbereich, müssen sich alle Bewerbenden im Auswahlverfahren der Bundeswehr einer ärztlichen Untersuchung unterziehen. Der Medizincheck soll gewährleisten, dass die Bewerberin bzw. der Bewerber die gesundheitliche Eignung für den (Wehr-)Dienst mitbringt. Die wehrmedizinische Begutachtung wird von einer Bundeswehrärztin oder einem Bundeswehrarzt durchgeführt und stellt im wesentlichen die Verwendungs- und Dienstfähigkeit für Soldatinnen und Soldaten fest. Mit unterschiedlichen Tests und Untersuchungen wird zum einen dein gesundheitlicher Zustand erfasst und zum anderen festgestellt, ob du entsprechend der angestrebten Verwendung die spezifischen gesundheitlichen Anforderungen erfüllst. Der Voruntersuchungsgang umfasst unter anderem folgende Tests und Dokumentationen:
- Hörtest
- Sehtest
- Blutbild und Urinprobe mit Drogenscreening
- Körpergröße und Gewicht werden erfasst
Urintest und Drogenscreening
Zur ärztlichen Untersuchung bei der Bundeswehr gehört auch ein Drogentest. Dazu wird deine Urinprobe im Labor analysiert und ein Drogenscreening durchgeführt. Solltest du in der jüngeren Vergangenheit zum Beispiel Marihuana konsumiert haben, wird dies mit der Urinprobe ersichtlich. Es sollte sich von selbst verstehen, dass man mit einem positiven Drogentest bei der Bundeswehr sofort ausgemustert wirst.
Augenarztbefund bei Fehlsichtigkeit
Bei einer vorhandenen Fehlsichtigkeit musst du deine Brille und deinen aktuellen Brillen- und/oder Kontaktlinsenpass sowie ggf. einen vorhandenen Augenarztbefund mitbringen. Des Weiteren ist zu beachten, dass mindestens 24 Stunden vor der ärztlichen Untersuchung (Sehtest) keine Kontaktlinsen getragen werden sollten. Ebenso sind eine Woche vor dem Untersuchungstermin keine „Nachtlinsen“ mehr zu tragen, da ansonsten die Geometrie der Hornhaut und folglich die Sehleistung beim Sehtest ungünstig beeinflusst werden kann.
Größe und Gewicht: "Waist-to-Hight Ratio" (WHtR)
Der Body-Mass-Index, kurz BMI, dient bei der ärztlichen Untersuchung der Bundeswehr nicht mehr als Begutachtungsgrundlage zur Beurteilung des medizinischen Gewichtsstatus. Der BMI wurde durch das WHtR (englisch Waist-to-Hight Ratio) Messverfahren abgelöst. Der WHtR beschreibt das Verhältnis zwischen Taillenumfang und Körpergröße und ist im Unterschied zum Body-Mass-Index aussagekräftiger bezüglich der Verteilung des Körperfetts und der gesundheitlichen Relevanz von Übergewicht.
Durch die Bewertung von gesundheitlichen Risiken, wie Körperbau und Bauchfettanteil, eignet sich daher das WHtR Messverfahren als Index besser, als gegenüber dem BMI. Denn der BMI hat erwiesenermaßen eine geringe Aussage über die gesundheitlich relevanten Ursachen eines Über- oder Untergewichts, da z. B sehr muskulöse Männer und Frauen einen hohen BMI aufzeigen.
Du möchtest deinen BMI ermitteln? Mit dem BMI-Rechner findest du schnell deinen eigenen Body-Mass-Index heraus.
Gewichtstabelle: Messung und Berechnung des WHtR
Für die Berechnung des WHtR erfolgt die Messung der Bewerbenden im Stehen, dabei muss der Bauch entspannt sein und darf nicht eingezogen werden. Gemessen wird zwischen dem unteren Rippenbogen und der dicksten Stelle des Bauches. Der WHtR wird folgendermaßen berechnet:
- WHtR = Taillenumfang : Körpergröße
Für Unter-40-Jährige ist ein Wert über 0,50 kritisch. Im Alter von 40 bis 50 Jahren liegt die Grenze zwischen 0,50 und 0,60, bei über Fünfzigjährigen bei 0,60.
Alter in Jahren | 15 bis 40 | 40 bis 50 | über 50 |
Normalgewicht | 0,40 bis 0,50 | + 0,01 pro Lebensjahr | 0,40 bis 0,60 |
Übergewicht – GZ III 2 (1) | 0,51 bis 0,56 | + 0,01 pro Lebensjahr | 0,61 bis 0,66 |
Adipositas I – GZ III 2 (2) | 0,57 bis 0,68 | + 0,01 pro Lebensjahr | 0,67 bis 0,78 |
Adipositas II – GZ VI 2 | > 0,68 | + 0,01 pro Lebensjahr | > 0,78 |
Annahmeuntersuchung und Anamnese
Nach der Voruntersuchung steht die Annahmeuntersuchung und Anamnese an. Hier wird der Arzt bzw. die Ärztin anfangs mit dir über deine persönliche Anamnese sprechen, die du bereits im Fragebogen zur gesundheitliche Vorgeschichte angegeben hast. Des Weiteren folgen noch ein paar Fragen zu etwaigen Allergien, Krankheiten, familiäre Erkrankungen, Drogen- und Alkoholkonsum. Auch wird man mit dir deine sonstigen medizinischen Unterlagen sowie Befunde durchgehen. Erst dann erfolgt das Kernstück jeder ärztlichen Untersuchung bei der Bundeswehr, die körperliche Untersuchung von Kopf bis Fuß. Die körperliche Musterung umfasst folgende Befunderhebungen:
- Hautbild (Hauterkrankungen, Pigmenttumore und Muttermale)
- Hände und Füße (Beurteilung auf Gebrauchsfähigkeit)
- Gelenke einschließlich des Bandapparates (inspektorisch und funktionell)
- Wirbelsäule (inspektorisch und funktionell u. a. Kyphose, Skoliose)
- Augen (Beweglichkeit, Sehschärfe, Farbsinn)
- Ohren (Untersuchung des Gehörgangs, Trommelfell)
- Rachen (Inspektion Lippen, Zunge, Mund, Rachenschleimhaut)
- Zähne (z. B. Karies, Zahnlockerungen, Entzündungen, Schwellungen)
- Hals (Beurteilung Lymhknoten, Schilddrüse)
- Herz-Kreislauf-System (Ruhe-EKG, Blutdruck- und Pulsmessung)
- Lunge (Lungenfunktionsuntersuchung)
- Bauchwand (Abtasten des Bauchraumes)
- Genitalorgane Mann (Inspektion und Palpation)
- Genitalorgane Frau (Kopie der gynäkologischen Vorsorgeuntersuchung nicht älter als 6 Monate; nur für Bewerberinnen über 20 Jahre)
Beurteilung der individuellen Dienst- und Verwendungsfähigkeit
Die Verwendungsfähigkeit beschreibt die jeweilige Verwendung für die eine Soldatin oder ein Soldat geeignet ist und wird erstmals infolge des Auswahlverfahrens im Karrierecenter der Bundeswehr bestimmt. Neben dem Gesundheitszustand hängt deine Verwendungsfähigkeit auch von deinen kognitiven Leistungen sowie deiner körperlichen Fitness ab. Deine gesundheitliche Eignung für den Wehrdienst wird zum ersten Mal bei der ärztlichen Untersuchung vom medizinischen Assessment bestimmt. Dabei wird das Ergebnis für nicht-ärztliche Stellen in Form des Tauglichkeitsgrads festgelegt. Im Laufe der Dienstzeit wird die Verwendungsfähigkeit fortlaufend und in regelmäßigen Abständen überprüft. Dabei sind die hier genannten Bewertungskriterien maßgeblich entscheidend für weitere Verwendungen oder Nichteignung.
Tauglichkeitsgrade
Für die Verwendungsfähigkeit der zu prüfenden Personen stellen drei verschiedene Tauglichkeitsgrade die Abstufungen der (Wehr-)Dienstfähigkeit dar und beschreiben, ob eine Bewerberin oder ein Bewerber die gesundheitlichen Erwartungen an den Wehrdienst erfüllt. Nach Abschluss der Untersuchungen wird durch den ärztlichen Dienst anhand des Grunduntersuchungsergebnisses der Tauglichkeitsgrad ermittelt. In folgende Tauglichkeitsgrade wird differenziert:
- wehrdienstfähig (gesundheitlich geeignet)
- vorübergehend nicht wehrdienstfähig (vorübergehend gesundheitlich nicht geeignet)
- nicht wehrdienstfähig (gesundheitlich nicht geeignet)
Verwendungsgrade
Der Verwendungsgrad ergibt sich anhand des militärischen Tätigkeitsbereiches, der an spezifischen gesundheitlichen und/oder wehrergonomischen Anforderungen gebunden ist. Kann eine Bewerberin oder ein Bewerber die Anforderungen einer bestimmten Verwendung nicht erfüllen, so wird die Person von dieser Verwendung ausgeschlossen. Für Bewerberinnen und Bewerber um eine Einstellung als FWDL, SaZ oder BS unterscheiden sich die Verwendungsgrade in T1, T2, T4, T5 und T6 (für Reservistinnen und Reservisten).
T1: (wehr-)dienstfähig und voll verwendungsfähig
Die Einstufung in den Verwendungsgrad T1 erfolgt: wenn keine Gesundheitsstörungen oder Verwendungsausschlüsse vorliegen, keine feste vorliegende Zahnspange besteht und keine Fehlsichtigkeit vorhanden ist.
- Mindestsehschärfe mit Korrektur auf beide Augen jeweils 0,7 mit Brille oder Kontaktlinsen:
- dabei zulässig sind Gläser bis zu dpt: +/–3,0 sph und/oder +/–2,0 cyl
Die Verwendungsbezeichnung X1 ist ein Zusatz und kennzeichnet die Verwendungsmöglichkeit im Wachbataillon. Dafür sind folgende Voraussetzungen zu erfüllen:
- Körpergröße zwischen 175 cm und 196 cm
- kein Bart
- kein sichtbares Übergewicht
- keine starke Sehschwäche
T2: (wehr-)dienstfähig und verwendungsfähig mit Einschränkungen
Der Verwendungsgrad T2 wird zugewiesen: wenn die Körpergröße unter 175 cm oder über 184 cm liegt, nur leichte Gesundheitsstörungen wie z. B. Wirbelsäulen- oder Gelenkveränderungen, Allergien schwacher Ausprägung, Augenprobleme oder Fehlsichtigkeit, vorhanden sind.
- Mindestsehschärfe mit Korrektur 0,8 auf dem besseren Auge und 0,2 auf dem schlechteren Auge beidäugig mindestens 1.0 (mit Brille oder Kontaktlinsen).
- dabei zulässig sind Gläser bis zu dpt: +8,0 sph und +/–5,0 cyl. Bei Minus-sph ist jegliche Stärke größer -5,0 dpt zulässig.
T3: verwendungsfähig mit Einschränkung in der Grundausbildung und für bestimmte Tätigkeiten
Der Verwendungsgrad T3 wurde mit Änderung des Wehrpflichtgesetzes zum 1. Oktober 2004 gestrichen. Die bis dato zu T3 geführten Krankheiten werden fortan im Verwendungsgrad T5 gelistet, welcher nicht wehrdienstfähig einstuft. Die in T3 aufgeführten Krankheiten waren u. a. Farbenblindheit, Platt- und Klumpfüße, Wirbelsäulen- und Gelenkveränderungen oder Unverträglichkeiten gegen bestimmte Impfungen. Eine Körpergröße zwischen 155 cm und 159 cm oder zwischen 196 cm und 205 cm. Seit dem 3. Juli 2018, mit Neuregelung der Wehrmedizinischen Begutachtung, wird der Verwendungsgrad T3 wieder für FWDL (freiwillig Wehrdienstleistende) genutzt.
T4: vorübergehend nicht (wehr-)dienstfähig
Bei dem Verwendungsgrad T4 liegt eine momentane Gesundheitsstörung vor, bei der noch nicht absehbar ist, welche Auswirkung sie auf den Wehrdienst hat bzw. kann der Krankheitsverlauf innerhalb von vier Wochen noch nicht endgültig beurteilt werden. Jedoch wird davon ausgegangen, dass durch eine Therapie oder mit Ablauf der Zeit sich der Gesundheitszustand verbessert.
T5: nicht (wehr-)dienstfähig
Wer mit dem Verwendungsgrad T5 gemustert wird, wird als nicht wehrdienstfähig eingestuft. In diesem Fall bedeutet das, dass eine schwere Gesundheitsstörung vorliegt und eine Besserung des Gesundheitszustandes nicht zu erwarten ist. Verwendungsausschlüsse sind u. a. folgende ausgeprägte Krankheitsverläufe oder körperlichen Merkmale:
- Asthma (mit ausgeprägter Funktionseinschränkung trotz medikamentöser Dauertherapie)
- Drogenkonsum (schädlicher Gebrauch oder Abhängigkeit von Drogen – auch zurückliegend)
- Stoffwechselerkrankungen (z. B. Diabetes mellitus Typ 1 oder Typ 2 bei unzureichender Einstellbarkeit)
- Herz- und Kreislauferkrankungen (z. B. Bluthochdruck oder Herzrhythmusstörungen)
- Wirbelsäulenverbiegung (z. B. Skoliose über 30° nach Cobb, operationsbedürftige Kyphose oder ausgeprägte Osteochondrose)
- Gelenkveränderungen (schwere Bewegungseinschränkungen oder nicht stabilisierbare Gelenke, z. B. Arthrose, Kreuzband)
- Starke Sehbehinderung (u. a. höhere Fehlsichtigkeit als unter „T2“ z. B. Keratokonus oder Keratoplastik)
- Körperbau (Körperlänge unter 155 cm und über 210 cm, Gewicht unter 45 kg und über 131 kg / WHtR >0,68 & WHtR <0,40)
- Verhaltensstörungen (z. B. Depressionen und Psychosen, Intelligenzminderung)
- Vegetatives Nervensystem (z. B. Somatoforme Störungen oder langanhaltende Migräneanfälle)
- Zentrales Nervensystem (z. B. chronische und degenerative Hirn- und Rückenmarksleiden u. a. multiple Sklerose, amyotrophische
Lateralsklerose) - Chronische Schäden an inneren Organen (z. B. Herzklappenfehler, Nierenschäden, Colitis ulcerosa, Morbus Crohn)
- Allergien (u. a. schwere Nahrungsmittelallergie z. B. Nüsse, Soja, Hühnereiweiß)
- Multiple Sklerose
- Epilepsie
- Narkolepsie
- Krebs
- Suizidgefährdung
T6: (wehr-)dienstfähig und verwendungsfähig als Reservist oder Reservistin
Der Verwendungsgrad T6 wurde eigens für Reservistinnen und Reservisten eingeführt, die früher in dem Verwendungsgrad T3 eingestuft worden sind. So kann man auch der Reserve ermöglichen an Wehrübungen, dienstlichen Veranstaltungen, Hilfeleistungen im Innern und Auslandseinsätzen teilzunehmen. Für ehemalige Reservisten, die wehrpflichtig waren, lautet die Bezeichnung des Tauglichkeitsgrades „wehrdienstfähig als Reservist“. Ehemalige Zeit- und Berufssoldaten tragen hingegen die Bezeichnung „dienstfähig als Reservist“.
Einstellungsuntersuchung bei Dienstantritt
Hinsichtlich des Dienstantritts wird das Ergebnis der wehrmedizinischen Begutachtung im Rahmen der Einstellung nicht ein weiteres mal überprüft. Eine Einstellungsuntersuchung wird nur dann durchgeführt, wenn die Soldatin oder der Soldat im Zuge der Befragung durch die Disziplinarvorgesetze bzw. den Disziplinarvorgesetzten eine Veränderung des Gesundheitszustandes angibt (z. B. durch Erkrankung, Unfall etc.) oder die letzte Grunduntersuchung mehr als 36 Monate zurückliegt. Bei Veränderungen wird der ärztliche Dienst den Tauglichkeitsgrad gegebenenfalls anpassen. Des Weiteren wird im Verlauf des Dienstantritts eine Begutachtung durch eine Zahnärztin bzw. einen Zahnarzt der Bundeswehr durchgeführt.
Fandest du diesen Beitrag hilfreich?
stock.adobe.com/stokkete